Das Kirchengelände von St. Paul füllt sich mit neuem Leben. Für 2,6 Millionen Euro errichtet der Caritasverband für das Dekanat Bocholt dort an der Stelle, auf der das inzwischen abgerissene Pastorenhaus stand, ein zweigeschossiges Wohngebäude für zwölf Menschen mit Behinderung. "Wir freuen uns", kommentierte Dechant Rafael van Straelen mit Blick auf die neuen Nachbarn.
Ziel der Investition ist es, Menschen mit unterschiedlichen Arten und Graden von Handicaps ein selbstständiges Wohnen und Leben zu ermöglichen. Entsprechend hoch sind die Ansprüche an die Barrierefreiheit sowie an Gemeinschaftsräume wie Essbereiche und Freizeitzimmer. Da die Bewohner rund um die Uhr von Fachkräften betreut werden, wird zudem Platz für Heilerziehungspfleger, Pflege- und Hauswirtschaftskräfte sowie eine Nachtbereitschaft benötigt. Insgesamt 674 Quadratmeter Wohnfläche stehen zur Verfügung.
Das neue Bundesteilhabegesetz fordert bewusst statt großer Einrichtungen mehr und mehr kleineren Einheiten. Diese sollen zudem so weit wie möglich in bestehende Nachbarschaften integriert werden. Das Problem: "Solche Immobilien sind auf dem freien Markt praktisch nicht zu bekommen", erläutert Caritas-Vorstand Claudia Soggeberg.
Grund genug für den Wohlfahrtsverband, Planer und künftige Bewohnerinnen und Bewohner an einen Tisch zu holen und ein eigenes Modell zu entwickeln. Ein passendes Grundstück war schnell gefunden. An der Breslauer Straße gibt es eine gute Anbindung an den ÖPNV, aktive Quartiersarbeit und eine große Nachbarschaft. Auch die Nähe zum Kirchplatz macht das neue Wohnangebot attraktiv. Denn der christliche Glaube und eine aktiv gelebte Gemeinschaft hat für viele Menschen mit Behinderung einen hohen Stellenwert.
Zuständig für die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner ist momentan der Vinzenz-Wohnverbund. Dessen Leiterin Marina Boos-Knüwer bereitet die acht Umzugskandidatinnen und -kandidaten aus einer Wohngruppe an der Schwanenstraße schon jetzt auf das neue, deutlich selbstständigere Leben vor. "Wir waren schon ein paarmal alleine einkaufen", berichtet Petra Kenda voller Stolz. Sie kann es kaum noch erwarten, aus ihrem jetzigen Dachgeschosszimmer in eines der durchschnittlich 17 Quadratmeter großen Neubauappartements umziehen zu können. Etwas mulmig zumute ist dagegen Thomas Schaffer. Die neue Umgebung und die zahlreichen Veränderungen bereiten ihm nach eigenen Angaben noch ein wenig Bauchschmerzen.
Viel Zeit bleibt für die Umgewöhnung derweil nicht mehr. Schon in einem Jahr soll alles fertig sein, berichten Architekt Daniel Ritte und Bauunternehmer Ralf Hagedorn. Und wie auf Kommando kreischt dazu im Hintergrund die große Baustein-Säge.